OZK
Neue Geldbußenbemessung nach § 30 KartG 2005
Im Zuge der Novellierung des Kartellrechts (durch Änderung des KartG, des WettbG sowie des UWG) wurden nicht nur die Rechte der BWB punktuell erweitert, sondern – aus Rechtschutzgründen besonders zu begrüßen – auch die Bestimmungen über die Geldbußenbemessung in § 30 KartG 2005 (KartG) ergänzt. Hier sollen diese Bestimmungen erörtert und im Hinblick auf die Praxis dahin analysiert werden, ob damit ein Mehr an Klarheit durch rechtliche Determinierung geschaffen wird.
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Von Walter Brugger
Geldbuße, Kriterien, Milderungsgründe, Erschwerungsgründe, Leitlinien
Gliederung
1. Allgemeines....................................................................... 1
2. Leitlinien der EK.............................................................. 1
3. § 30 Abs 2 Z 1 KartG – ähnliche Rechtsverletzung als Erschwerungsgrund 2
4. § 30 Abs 2 Z 2 KartG – Urheber, Anstifter, führende Beteiligung als Erschwerungsgrund 3
5. § 30 Abs 3 Z 1 KartG – untergeordnete Beteiligung als Milderungsgrund 3
6. § 30 Abs 3 Z 2 KartG – freiwillige Beendigung als Milderungsgrund 4
7. § 30 Abs 3 Z 3 KartG – wesentlicher Aufklärungsbeitrag als Milderungsgrund 4
8. Sonstige Erschwerungs- und Milderungsgründe......... 6
Das KartG wurde mit Wirksamkeit ab 1.3.2013 durch das KaWeRÄG 2012 novelliert.[1] Bis zu dieser (nun zweiten[2]) Novelle des KartG 2005 bestand der § 30 nur aus einem Absatz. Bisher legte das Gesetz lediglich fest, dass bei der Geldbußenbemessung "insbesondere" auf bestimmte Kriterien Bedacht zu nehmen sei. Das Gesetz zählte und zählt als Kriterien die Schwere und die Dauer der Rechtsverletzung, die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung, den Grad des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf; dies wurde als bedenklich dürftig kritisiert, weil es einen ungewöhnlich gering determinierten Ermessensspielraum eröffnet. Dabei ist zu bedenken, dass Kartellbußenrecht immerhin zum "Strafrecht" iSd Art 6 EMRK zählt[3], auch wenn Art 23 Abs 5 VO 1/2003 scheinbar Gegenteiliges behauptet.
Aber nicht diese Rechtsstaatlichkeitsaspekte[4], sondern das Ziel, die ges Kriterien für die Geldbußenbemessung anhand der Bußgeldleitlinien der EK[5] (idF kurz "Leitlinien") zu ergänzen bzw diese in das KartG zu "übernehmen", waren die gesetzgeberische Motivation laut RV[6] und JA[7] für die Ergänzungen von § 30 KartG. Immerhin ergänzt die Novelle den § 30 KartG durch eine nach wie vor nicht-taxative (arg "insbesondere") Aufzählung von zwei Erschwerungs- (§ 30 Abs 2) und drei Milderungsgründen (§ 30 Abs 3 KartG).
Schon bisher waren aber einige der nun als "neu" in das Gesetz eingefügten Kriterien zu berücksichtigen zB im Rahmen des (in § 30 Abs 1 KartG schon bisher genannten) Verschuldenskriteriums. Die "neuen" gesetzlichen Regeln sollen in der Folge behandelt werden.
Vorab ist zu bemerken, dass die in der RV dokumentierte gesetzgeberische Absicht, die Bußgeldleitlinien der EK zu "übernehmen", misslungen ist: Der Gesetzgeber "übernimmt" nicht die Bußgeldleitlinien, sondern ergänzt das KartG um einige (wenige) Elemente aus diesen, ohne aber das System der Bußgeldleitlinien auch nur annähernd zu rezipieren. Eine vollständige Übernahme wäre nicht nur hypertroph ausgefallen, sondern sie wäre für die Praxis höchst praktisch gewesen, auch wenn mangels Normcharakters[8] der Leitlinien manche einwenden könnten, es wäre vielleicht theoretisch "unangemessen", diese in ein Gesetz zu übernehmen.
Die Gesetzesmaterialien – wenn schon nicht der Gesetzestext – können aber immerhin eine Stütze dafür bilden, auch in Österreich – weiterhin – bei der Geldbußenbemessung die von der BWB in Anlehnung an die Leitlinien gewählte Berechnungsmethode ("bottom up" statt der sonst primär indizierten Methode "top down") anzuwenden.[9] Die BWB hat ja auch schon vor dieser Novelle die Leitlinien sinngemäß angewendet. Der OGH als KOG betonte zwar mehrfach, dass bei der Geldbußenzumessung zuvorderst der Gesamtumsatz (also "top down") maßgeblich sei, doch billigte er im Endeffekt die verhängten Geldbußen, die von der BWB "bottom up" berechnet und vom OLG Wien als KG (zwar als angemessene pauschale Geldbuße ohne Wiedergabe der bottom up-Berechnungsmethode, aber letztlich doch in der von der BWB berechneten Höhe) verhängt worden waren.
Nach wie vor aber werden sich die österr Kartellbehörden (BWB, KG und KOG) an die österr Rechtslage, also insb §§ 29-31 KartG, halten müssen, weil für sie die Leitlinien unverbindlich sind, weshalb auch das KOG die in den Leitlinien verwendeten Begriffe wie Berechnungsformel und Grundbetrag ablehnt. Auch wurde jüngst vom EuGH klargestellt, dass Bekanntmachungen der EK keinen Normcharakter für nationale Wettbewerbsbehörden haben.[10] Selbst die EK wendet ihre Leitlinien nicht starr an, wenn sie zu unangemessenen Ergebnissen führen würden.[11]
Als neuer Erschwerungsgrund war im Ministerialentwurf (ME)[12] vorgesehen, dass das KG gegen den Unternehmer oder die Unternehmervereinigung "bereits wegen einer ähnlichen Rechtsverletzung vorgegangen" ist.
Zunächst ist festzuhalten, dass nur ein Vorgehen des KG, nicht aber der BWB tatbestandsmäßig für diesen Erschwerungsgrund wäre. Das erschien sinnvoll, zumal ein BWB-Verfahren den betroffenen Unternehmen in der Praxis oft nicht einmal vor Antragstellung der BWB beim KG zur Kenntnis gebracht wird.[13]
Ein kartellgerichtliches Verfahren gegen den Unternehmer (oder eine Unternehmervereinigung) wegen einer "ähnlichen Rechtsverletzung" hat immerhin einen Warncharakter, auch wenn das kartellgerichtliche Verfahren zu einer Abweisung des Antrags der BWB (oder eines allenfalls antragsbefugten anderen Unternehmens) geführt hat. Der ME erfordert ja nicht die gerichtliche Verhängung einer Sanktion gegen das Unternehmen wegen einer (ähnlichen) Rechtsverletzung, sondern lediglich, dass das Kartellgericht "wegen einer ähnlichen Rechtsverletzung vorgegangen" ist. Der Warncharakter eines solchen Verfahrens sollte die Unternehmen zu besonderer Vorsorge (kartellrechtliche Compliance) animieren, widrigenfalls ein Erschwerungsgrund vorläge.
Es ist aber andererseits offensichtlich, dass ein kartellgerichtliches Verfahren, das mit einem (gänzlichen oder zumindest weitestgehenden) "Freispruch" (Abweisung der gestellten Anträge) endet, gerade keine Zuwiderhandlung (Rechtsverletzung) indiziert, sondern vielmehr – trotz gerichtlichen Überprüfungsverfahrens (Amtswegigkeitsgrundsatz! Untersuchung und engagierte Antragstellung der BWB!) - beweist, dass das Unternehmen sich kartellrechtlich wohlverhalten hat. Ein derartiges Verfahren (ohne Feststellung einer Zuwiderhandlung), also die bloße "Existenz eines Vor-Aktes", ex lege als Erschwerungsgrund zu bewerten, wäre daher mE rechtsstaatlich äußerst bedenklich gewesen!
Daher hat die Regierungsvorlage (RV) sowie der nun endgültige Gesetzestext eine andere Formulierung gewählt: Erschwerungsgrund ist es nun insbesondere, wenn das Kartellgericht "schon wegen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung eine Geldbuße verhängt oder eine solche Zuwiderhandlung festgestellt hat". Das setzt Rechtskraft der E voraus.
Daher ist nur "echte" Rückfallstäterschaft (also bei positiver Beendigung des Kartellgerichtsverfahrens) ein Erschwerungsgrund.[14] So judizierte auch schon bisher der OGH als KOG etwa bei wiederholtem Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung.[15]
Auch im Unionsrecht kann nach den Leitlinien nur die Fortsetzung einer Zuwiderhandlung oder erneutes Begehen einer gleichartigen oder ähnlichen Zuwiderhandlung, nachdem die EK oder eine einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde dies (rechtskräftig) festgestellt hat, als Erschwerungsgrund gewertet werden (Rn 28 der Leitlinien).[16] Das kann dort einen "Zuschlag" von 50 % bis 100 % zur normal berechneten Geldbuße bedeuten.
Sowohl im ME, als auch in der RV und im endgültigen Gesetzestext ist als Erschwerungsgrund aufgezählt, dass der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung als "Urheber oder Anstifter" einer von mehreren begangenen Rechtsverletzung oder an einer solchen Rechtsverletzung "führend beteiligt" gewesen ist.
Nicht gesetzlich definiert ist, was unter "Urheber" zu verstehen sei. Auch die Mat schweigen. Jedenfalls klar ist, dass Urheber nicht iSv § 10 UrhG (geistiger Schöpfer) verstanden werden sollte, sondern mE eher iSv "Initiator", also nahezu inhaltsgleich mit "Anstifter". Der Begriff "Urheber" kommt auch in § 33 Abs 1 Z 4 StGB bei den Erschwerungsgründen vor. "Anführer" und "Anstifter" sind auch die beiden in den Leitlinien (Rn 28) verwendeten Begriffe. Da Anstifter nicht immer klar zu erkennen sind (Beweisproblem), wird im Gesetz sinnvollerweise auch der "führend Beteiligte" gleichgesetzt (die Leitlinien nennen ihn "Anführer").
Erstaunlicherweise erwähnt das Gesetz nicht als Erschwerungsgrund, dass ein Unternehmen andere "zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen" hat (so der Ausschlussgrund vom Kronzeugenprogramm lt § 11 Abs 3 Z 4 WettbG), obwohl in der Zwangsausübung zB zur Durchsetzung von Preisbindungen (RPM) oder Horizontalabsprachen mE sehr wohl ein Erschwerungsgrund liegen kann.
Auch wenn dogmatisch zwischen Kartellen als idR nicht einseitig, sondern bilaterale oder multilaterale Vorgänge zur Wettbewerbsbeschränkung und Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung als idR einseitiges Missbrauchsverhalten unterschieden wird, ist nicht diese "Unilateral-multilateral-Unterscheidung" gemeint, wenn das Gesetz auf eine "von mehreren begangene Rechtsverletzung" abstellt. Vielmehr ist die Beteiligung als Urheber oder Anstifter oder eine führende Beteiligung begrifflich immer dann denkbar, wenn es andere Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen gibt, die sich gemeinschaftlich beteiligt haben. Nur bei gemeinsamer Zuwiderhandlung ("Mittäter") ist es überhaupt denkbar, dass Einer oder Mehrere eine führende Rolle (Urheber, Anstifter oder sonst führende Rolle) gegenüber den anderen an der Zuwiderhandlung Beteiligten übernimmt.
Daher kann dieser Erschwerungsgrund auch in jenen seltenen Fällen angewendet werden, in denen mehrere gemeinsam eine marktbeherrschende Stellung missbrauchen und einer davon als Urheber oder Anstifter oder sonst führender Beteiligter hervorsticht. Auch bei vorzeitiger Zusammenschlussdurchführung ist das uU anwendbar.
Dieser Erschwerungsgrund soll also eine deutliche Differenzierung in der Geldbußenbemessung zwischen den Betreibenden einerseits und den weniger Betreibenden andererseits bewirken. Diese Differenzierung bewirkt im Endeffekt, dass ein untergeordnet beteiligtes Unternehmen milder bestraft wird.[17] Der OGH will freilich nicht von einem "Milderungsgrund" für die "Mitläufer" einer Zuwiderhandlung sprechen und das Gesetz wählt durch die Novelle nicht den Weg eines Milderungsgrundes für Mitläufer (dazu sogleich), sondern eines Erschwerungsgrundes für die maßgeblich Beteiligten. Die dadurch bewirkte Differenzierung läuft sich meines Erachtens aber letztlich auf dasselbe hinaus, wenn man ohnedies nicht am Buchstaben der Geldbußen-Leitlinien kleben will.
Aus der Differenzierung zwischen Abs 2 Z 2 (führende Beteiligung als Erschwerungsgrund) und Abs 3 Z 1 (untergeordnete Beteiligung als Milderungsgrund) resultiert nicht unbedingt eine Zweiteilung des Beteiligungsbegriffes, sondern eher eine Dreiteilung: Bei mehreren Mittätern mag es bisweilen einen Anstifter oder Anführer und manchmal lediglich untergeordnete Beteiligte ("kleine Fische" ohne besondere kartellrechtswidrige Bedeutung und ohne auch den "üblichen" wettbewerbswidrigen Tatbeitrag) geben; der "Normaltäter" einer kartellrechtlichen Zuwiderhandlung ist aber die dritte – und alltägliche – Normaltype.
Der übliche Kartellbeteiligte, selbst wenn er nicht Urheber, Anstifter oder führend Beteiligter war, kann nicht schon deshalb für sich den Milderungsgrund der untergeordneten Beteiligung reklamieren, weil er kein Anführer war. Der normale "Mitläufer" wurde schon bisher vom OGH nicht eines Milderungsgrund würdig erachtet. Auch im Unionsrecht wird bereits die bloße Teilnahme an wettbewerbswidrigen Absprachen als stabilisierendes Element mit voller Strafwürdigkeit gesehen.
Der Milderungsgrund gilt nur für jenen, der weit unterhalb des normalen Beteiligungsgrades in die Zuwiderhandlung "gerade noch" involviert ist (ähnlich wohl § 34 Abs 1 Z 6 StGB).
Auch hier ist der ähnliche Milderungsgrund in den Leitlinien (Rn 29) anders formuliert, nämlich: "[…] dass die Beteiligung sehr geringfügig war und sich das Unternehmen der Durchführung der […] verstoßenden Vereinbarungen […] durch eigenes Wettbewerbsverhalten entzogen hat". Diese Definition des Milderungsgrundes ist sicherlich deutlicher als § 30 KartG und zeigt mE einen Anwendungsfall; der Milderungsgrund in § 30 KartG ist aber breiter anwendbar (weil weniger spezifisch eingeschränkt formuliert als in den Leitlinien).
Selbstverständlich ist – übrigens auch nach Unionsrecht – bei mehreren Tätern "die relative Schwere des Tatbeitrags" jedes Mittäters gesondert zu prüfen und zu würdigen.[18]
Die freiwillige Beendigung einer Zuwiderhandlung ist als neuer expliziter Milderungsgrund ins Gesetz gekommen. Die Beendigung der Zuwiderhandlung bewirkt zunächst ohnedies, dass die Dauer der Zuwiderhandlung (als Bemessungskriterium nach den Leitlinien und in der BWB-Praxis) reduziert wird. Darüber hinaus aber stellt die Beendigung nun einen Milderungsgrund dar. Alle bei Einschreiten der Behörde bereits beendeten und somit nur noch historischen Zuwiderhandlungen (wenn also die Behörde jemanden nicht gerade in flagranti erwischt) sollten also – nach dem Gesetzestext - diesen Milderungsgrund ganz besonders in Anspruch nehmen können.
Wie stark dieser de facto in einem konkreten Fall wirken wird, hängt idR von den Umständen des konkreten Falles ab: Der Ausstieg aus einem ohnedies nicht funktionierenden Kartell wird weniger belohnenswert sein als der Ausstieg aus einer funktionierenden Absprache, noch dazu wenn dadurch das Kartell überhaupt zerfällt. Freiwillige Beendigung eines weiterhin möglichen Missbrauchsverhaltens wird eher mildernd wirken als die "freiwillige" Beendigung eines Kartells oder Missbrauchs infolge Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Dieser Milderungsgrund erinnert entfernt an § 34 Abs 1 Z 14 und 18 StGB: Mildernd ist zu berücksichtigen, wenn jemand sich der Zufügung eines größeren Schadens, obwohl ihm dazu die Gelegenheit offenstand, freiwillig enthalten hat (Z 14) oder wenn jemand die Tat schon vor längerer Zeit begangen und sich seither wohlverhalten hat (Z 18). Nicht jedwede Tatbeendigung kann ein (starker) Milderungsgrund sein.
Die Beendigung der Zuwiderhandlung durch einen (zweiten, dritten …) "Kronzeugen" sollte mE idR bereits durch die BWB im Rahmen des Kronzeugenprogramms und den dadurch eröffneten Bandbreiten berücksichtigt werden; das KG kann aber bei Bedarf im Geldbußenbeschluss "nachjustieren" und die Geldbuße (gegenüber dem BWB-Antrag) reduzieren.[19] Freilich werden in Kronzeugenfällen nach Ausstieg des "ersten" Kronzeugen die anderen oft nur schwer nachweisen können, dass sie von einer Fortsetzung "freiwillig" Abstand genommen haben und ausgestiegen sind, wenn doch schon zuvor der erste Kronzeuge (durch seinen Ausstieg als Voraussetzung für den Kronzeugenstatus) idR das Kartell zu Fall gebracht hatte.
Die Leitlinien kennen in Rz 29 einen ähnlichen Milderungsgrund: "Beendigung des Verstoßes nach dem ersten Eingreifen der Kommission, außer im Falle geheimer Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, insb von Kartellen". Da aber der Wortlaut in § 30 KartG ("die Rechtsverletzung aus eigenem beendet hat") hier ganz offensichtlich weit von der Regelung der Leitlinien abweicht, kann der Leitlinientext mE nicht als Interpretationshilfe für § 30 KartG herangezogen werden, auch wenn die Mat behaupten, dass die Leitlinien "übernommen" würden.
Da bekanntlich in Kartellsachen die den Behörden vorliegenden Unterlagen – selbst bei Kronzeugenfällen - "auf ein Minimum reduziert und lückenhaft" sind, kann eine Zuwiderhandlung meist nur aus einer Reihe von "Koinzidenzen und Indizien" (mangels einer anderen schlüssigen Erklärung als Prima-facie-Beweis) abgeleitet werden.[20]
Schon bisher war im einzigen Absatz von § 30 KartG vorgesehen, dass bei der Bemessung der Geldbuße insbesondere auch auf die Mitwirkung an der Aufklärung der Rechtsverletzung Bedacht zu nehmen ist. Diese Bestimmung galt aber nur im Fall der Zuwiderhandlung gegen das "Kartellverbot", somit nicht bei sonstigen Zuwiderhandlungen (zB Missbrauch, vorzeitige Durchführung eines Zusammenschlusses).
Nun ist es generell ein Milderungsgrund, wenn der Unternehmer oder die Unternehmervereinigung "wesentlich zur Aufklärung zur Rechtsverletzung beigetragen" hat. Dieser Milderungsgrund ist also bei jedweder Rechtsverletzung anwendbar, also auch bei einem Missbrauch oder einer vorzeitigen Zusammenschlussdurchführung.
Was freilich neu klingt, ist es nicht so ganz: Schon bisher haben die Gerichte (und auch die BWB) Zugeständnisse der Parteien, insbesondere Außerstreitstellungen des Sachverhaltes nicht nur in Kartellfällen positiv gewürdigt. Die Rede ist hier nicht primär von einem Aufklärungsbeitrag im Rahmen des Kronzeugenprogramms; hierunter fallen ja nur "Selbstanzeigen", die an die BWB gerichtet werden (bevor diese ausreichende Kenntnisse hat oder gar einen Geldbußenantrag bei Gericht stellt) und die zur reduzierten Antragstellung der BWB führen (sollen). Beim hier zu besprechenden Milderungsgrund geht es hingegen (primär) um die von einer Partei während des kartellgerichtlichen Verfahrens geübte Kooperation zur Aufklärung der Rechtsverletzung; diese wird als Milderungsgrund honoriert. Wenn aber die BWB die Kooperation des Unternehmens mit ihr selbst (im Vorfeld eines Gerichtsverfahrens) nicht ausreichend honoriert, kann das KG diesen Milderungsgrund autonom anwenden und ggf die Geldbuße unterhalb des BWB-Antrags bemessen. Das KG kann also einen zweiten oder dritten Kronzeugen – über die Einschätzung der BWB hinausgehend – einen Geldbußennachlass wegen des besonderen Aufklärungsbeitrages zuerkennen, zumal der BWB-Bußgeldantrag ohnedies nur die Höchstgrenze markiert.
Dass nur ein "wesentlicher" Beitrag zur Aufklärung relevant ist, nicht aber ein "unwesentlicher" versteht sich von selbst; dennoch glaubte der Gesetzgeber, dieses Wörtchen "wesentlich" in den Gesetzestext aufnehmen zu müssen.
Ebenfalls mE selbstverständlich ist, dass sich ein größerer Beitrag zur Aufklärung mehr als ein geringerer Beitrag auszuwirken hat. Auch dies ist nichts wesentlich Neues. Der Aufklärungsbeitrag soll die "Reumütigkeit des Täters" (vgl § 34 Abs 1 Z 17 StGB) bekunden, aber zuvorderst wohl der Verfahrensökonomie dienen.
Die Leitlinien (Rz 29) enthalten einen völlig anders formulierten Milderungsgrund: "aktive Zusammenarbeit des Unternehmens mit der Kommission außerhalb des Anwendungsbereichs der [Kronzeugen-Mitteilung] und über seine rechtliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinaus". Hier wird bes auf die Zusammenarbeitsverpflichtung der Unternehmen mit der EK hingewiesen, die in ähnlicher Form nur im BWB-Verwaltungsverfahren (zB § 11a WettbG), nicht aber im Gerichtsverfahren vorgesehen ist. Richtigerweise grenzt die EK den Zusammenarbeitsbonus (Milderungsgrund) auch vom Kronzeugenprogramm (gänzliche oder partielle Freistellung von der Geldbuße) ab; nur dieser letzte Gedanke ist auch bei Anwendung des § 30 KartG gültig: also auch bei uns keine Doppelverwertung der Mitwirkung, sondern nur insoweit als die Mitwirkung sich nicht schon im BWB-Geldbußenantrag niedergeschlagen hat.
Bemerkenswert ist aber die schon bisherige Praxis, dass die BWB – nach einigen zögerlichen Anfängen schon vor Jahren[21] – nun häufiger an eine "Verfahrensökonomie" insoweit denkt, ohne größeren Prozessaufwand für sich selbst (und ihre beschränkten Personalressourcen), für das Gericht und auch für die betroffenen Parteien eine "rasche einvernehmliche Verfahrensbeendigung" anzustreben.[22] Dabei wird in praxi nicht ein Vergleich (§ 30 AußStrG) abgeschlossen (dies ist eine eingebürgerte Fehlbezeichnung, die vom "Vergleichsverfahren" der EK[23] abgeleitet ist[24]). Vielmehr wird der Sachverhalt außer Streit gestellt (= wesentlicher Beitrag zur Aufklärung) und/oder es werden Verpflichtungszusagen[25] abgegeben. Sodann wird gegen den (reduzierten) Geldbußenantrag, falls er bei Verpflichtungszusagen überhaupt aufrecht bleibt,[26] kein Einwand erhoben, so dass das KG (trotz des Amtswegigkeitsgrundsatzes, aber konform mit § 33 Abs 1 AußStrG) "sofort" entscheiden kann. Nach Rechtsmittelverzicht gegen den mündlich verkündeten Beschluss kann eine inhaltlich mit Sachverhaltsdarstellung begründete Beschlussausfertigung entfallen (§ 39 Abs 4 AußStrG). Die Bindungswirkung nach § 37a Abs 3 KartG reduziert sich dadurch (obwohl der rechtskräftige Feststellungscharakter der Entscheidung natürlich nicht wegzudiskutieren ist).
All dies kann durchaus (auch) im Interesse der betroffenen Unternehmen liegen und war das in den bisherigen Fällen soweit ersichtlich auch. Vergleichsverfahren und die obgenannten Verpflichtungszusagen bilden ein "konsensuales" Kartellrecht (Bargain-Mentalität),[27] auf dessen rechtsstaatliche Problematik aber hinzuweisen ist (ähnlich wie bei der – zweifellos anerkannten - strafrechtlichen Diversion: über Behördendruck ohne rechtsstaatlich ausreizbares Rechtsmittelverfahren "freiwillig" – entgegen dem Nemo-tenetur-Grundsatz[28] - auf sich genommene Sanktion). Daher ist die Lit durchaus zurückhaltend[29] (ähnlich wie im Kernstrafrecht[30]).
Eine Anonymisierung der Veröffentlichung, wie bisher von der BWB in diesen Fällen manchmal praktiziert, wird ab 1.3.2013 nicht mehr möglich sein (§ 37 KartG: Veröffentlichung in der Ediktsdatei mit Nennung der Beteiligten).
Umgekehrt kann eine Behinderung von BWB-Ermittlungen oder sonstige Obstruktion im Gerichtsverfahren mE sehr wohl ein – wenn auch im Gesetz nicht ausdr genannter - Erschwerungsgrund sein, auch wenn das Gesetz dazu weiterhin nichts besagt. Der diesbezügliche in den Leitlinien (Rn 28) ausdr aufgezählte Erschwerungsgrund ("Verweigerung der Zusammenarbeit" oder "Behinderung der Untersuchung") ist in den § 30 KartG nicht aufgenommen worden.
Freilich wird sich die Geldbußenerhöhung aufgrund eines solchen Erschwerungsgrundes in Maßen halten müssen (und daher idR keinesfalls einen Zuschlag gleich um 50 % - ähnlich wie bei einem Wiederholungstäter – rechtfertigen können,[31] zumal iA für Obstruktion iSv § 29 Z 2 KartG ein niedrigeres Cap von 1 % besteht.).
Auch jetzt nach der Novelle (KaWeRÄG 2012) ist die gesetzliche Aufzählung der Geldbußenkriterien keineswegs taxativ (arg "insbesondere"). Auf zahlreiche Aspekte (Erschwerungs- und Milderungsgründe) betr Geldbußenbemessung habe ich bereits hingewiesen.[32]
Zu erwähnen ist auch noch, dass die Leitlinien (Rz 29) als weiteren Milderungsgrund die "Genehmigung oder Ermutigung des wettbewerbswidrigen Verhaltens durch die Behörden oder geltende Vorschriften" vorsehen. Auch das wurde bei uns – trotz der lt Mat angeblichen Übernahme der Leitlinien - nicht in § 30 KartG aufgenommen, obwohl das in die Nähe eines Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrundes (dazu vgl § 34 Abs 1 Z 11 StGB) kommt; Anlassfälle gab es bei uns allerdings bereits (Rinderbesamung[33]).
Die Leitlinien enthalten schließlich auch als Milderungsgrund "dass die Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen wurde". Auch das wurde nicht explizit in den § 30 Abs 3 KartG aufgenommen, und zwar hier mE zu Recht, weil ja schon gem Abs 1 (das ist dort systematisch passender als in Abs 3) ganz grds "auf den Grad des Verschuldens", also die klassische Abstufung Vorsatz – grobe Fahrlässigkeit - leichte Fahrlässigkeit – Schuldlosigkeit abzustellen ist und bei Schuldlosigkeit auch Straffreiheit resultieren muss (nulla poena sine culpa[34]).
Es verbleibt mE einiger Spielraum für die Praxis, um die konkreten Umstände einzelfallspezifisch zu würdigen.
Auch nach der Jud des OLG Wien als KG ist in analoger Anwendung von § 191 Abs 1 StPO von der Verhängung einer Geldbuße überhaupt abzusehen (oder im konkreten Fall eine äußerst geringe Geldbuße zu verhängen), wenn in Abwägung der Schuld, der Folgen der Tat und des Verhaltens des Beschuldigten nach der Tat, insbesondere im Hinblick auf eine allfällige Schadensgutmachung sowie weiterer Umstände, die auf die Strafbemessung Einfluss hätten, der Störwert der Tat als gering anzusehen ist und eine Bestrafung weder aus spezial- noch generalpräventiven Gründen erforderlich ist. Eine solche Geringfügigkeit der Tat sei nicht nur von der Strafverfolgungsbehörde, sondern auch gerichtlich wahrzunehmen.[35] Mit den "weiteren Umständen, die auf die Strafbemessung Einfluss hätten", nimmt das KG (mE zu Recht) Bezug auf §§ 32 ff StGB.
Der OGH hatte sich allerdings (mE zu Unrecht) gegen die analoge Anwendung der Schuldzumessungskriterien des StGB ausgesprochen,[36] ohne in Betracht zu ziehen, dass die Wertungen im Kriminalstrafrecht wohl auch im Rahmen des Verschuldensprinzips des Kartellstrafrechts (§ 30 Abs 1 KartG) durchaus erhellend sein können und dort, wo das KartG weiterhin unklar ist (weiterhin wenige Kriterien, die "insbesondere" anzuwenden sind), die sinngemäße oder analoge Anwendung der StGB-Wertungen angebracht und notwendig ist.
Beispiele:
· So ist mE wohl auch im Kartellverfahren zu berücksichtigen "inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte" (§ 32 Abs 2 StGB).
· Auch bei Kartellstrafen wird berücksichtigt, "je größer die Schädigung […] ist, […] je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat" (§ 32 Abs 3 StGB).
· Es kann und soll auch berücksichtigt werden, wenn eine Zuwiderhandlung "schon vor längerer Zeit begangen" wurde und sich das Unternehmen "seither wohlverhalten hat" (§ 34 Abs 1 Z 18 StGB).
· Viele andere Stellen aus §§ 32-34 StGB müssen nicht mehr aufgezählt werden, weil sie bereits oben referenziert wurden.
ME kann jedwedes sachgerechte und angemessene Kriterium im Rahmen der Geldbußenbemessung als mildernd oder erschwerend herangezogen werden (arg "insbesondere" in § 30 KartG).
Schlussfolgerung
Angesichts der bereits etablierten Geldbußenpraxis zeigt sich, dass die BWB idR die Geldbußen ähnlich wie die Kommission gemäß deren Leitlinien "Bottom-Up" vom kartellierten Umsatz ausgehend berechnet, während der OGH eine pauschale Zumessung anhand weniger Milderungs- und Erschwerungsgründe, aber ohne detailliertere Auseinandersetzung mit dem konkreten Strafmaß, zumeist "absegnet". Dies wurde bereits als Begründungsdefizit kritisiert.[37]
Die Novelle bringt zwar substantiell keine neuen Bemessungskriterien für eine Geldbuße, könnte aber – vielleicht – für das KOG Formalanlass für eine künftig detailliertere inhaltliche Auseinandersetzung mit der Geldbußenbemessung werden, zumindest in der Intensität des EuG, der wiederholt EK-Entscheidungen betr Geldbußen aufhob, etwa weil die EK den Kronzeugen zu wenig "belohnte",[38] ihre eigenen Bemessungskriterien unrichtig anwandte,[39] Milderungsgründe unzureichend beachtete,[40] falsche Erschwerungsgründe annahm;[41] oder die Geldbußen unproportional[42] oder sonst inadäquat[43] verhängte.
Die "neuen" Geldbußenkriterien werden – nach Ansicht auch vieler Praktiker – nicht viel ändern an der erstgerichtlichen Geldbußenpraxis, die auch bisher schon die Kriterien wie Beitrag zur Tataufklärung usw berücksichtigte. Sinnvoller wäre eine gesetzliche Determinierung dahingehend gewesen, wie die Geldbuße einzelfallspezifisch unterhalb der (exorbitanten) Obergrenze von 10 % (Cap) einzupendeln ist, zB nicht durch Zumessung von der Obergrenze abwärts (top down, wie es der OGH mehrfach andeutete), sondern durch Übernahme der (den kartellierten Umsatz und die Dauer der Zuwiderhandlung berücksichtigenden) Bottom-Up-Berechnungsmethode aus den Leitlinien der EK, an der sich praeter legem tw die BWB-Geldbußenanträge (und die erstinstanzliche Gerichtspraxis) orientieren.
[1] BGBl I 13/2013
[2] Die erste Änderung des KartG 2005 erfolgte durch das Bundesverfassungsrechtbereinigungsgesetz (BGBl I 2/2008).
[3] EGMR 27. 9. 2011, 43 509/08 – Menarini – Rz 38.
[4] Dazu Brugger, Die Geldbußenbemessung nach § 30 KartG, Teil I, OZK 2009, 172 [173 mwN in FN 18].
[5] Leitlinien vom 1. 9. 2006 für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Art 23 (2) lit a der VO 1/2003, ABl 2006, C-210, 2.
[6] Vgl RV 1804 Blg NR XXIV. GP, Seite 3 ("ergänzen") und Seite 9 ("übernehmen").
[7] JA 2035 Blg StenProt XXIV GP, Seite 2 ("ergänzen").
[8] Dazu Brugger, (FN 4), dort bei FN 32-34.
[9] Dazu ausf Brugger, (FN 4), 176-177.
[10] EuGH 13.12.2012, C-226/11 – Expedia. Auch der OGH zeigte deutliche Zurückhaltung gegenüber den Leitlinien (OGH als KOG RIS-Justiz RS0122747).
[11] EK 28. 3. 2012, IP/12/313 – Preiskartell Fensterbeschläge. Diesen Gedanken vgl schon EuG 16. 6. 2011, T-211/08 – Putters International NV, Rz 75.
[12] 349/ME vom 24.1.2012.
[13] Dazu kritisch Brugger, Kein rechtliches Gehör vor einem Geldbußenantrag der BWB, ecolex 2008, 648.
[14] So schon Brugger, Die Geldbußenbemessung nach § 30 KartG, Teil II, OZK 2009, 207 [213].
[15] OGH als KOG 20.12.2004, 16 Ok 12/04 – Telekom Austria TikTak-Tarif.
[16] So auch EuG 6.5.2009, T-122/04.
[17] So schon Brugger, (FN 14), 211.
[18] EuGH 16.12.1975, C-40/73 – Suiker Unie, Rn 623.
[19] AA – freilich ohne ersichtliche Begründung - Hölz/Hummer, Vergleichsverfahren in Kartellfällen, OZK 2010, 134 (137) FN 27.
[20] So ausdr EuGH 19. 7. 2012, C-264/11P, Rz 31 – Kaimer Kupferfittings.
[21] Zwei Fälle aufgezählt bei Brugger, (FN 4), dort in FN 25.
[22] OLG Wien als KG März 2012 (rk) – Brauereien Bierkartell (Geldbuße EUR 1,1 Mio wegen Boykotts, dazu Xeniadis/Harsdorf in ÖZK 2012, 64; zuvor zur Hausdurchsuchung vgl KOG 9. 11. 2011, 16 Ok 5/11). Weitere Fälle: OLG Wien als KOG Juli und November 2012 - OBI und Hornbach (vgl OÖ Nachrichten 22. 10. 2011 und BWB/K-237); 7. 3. 2012, 24 Kt 9/12-6 (rk) – Immobilienportfolioverwaltung; 11. 12. 2012, 29 Kt 63/12-5 (rk) – Wasseraufbereitung (siehe auch BWB/Z-1827 – Freigabe und später dann BWB/Z-1846 – Freigabe).
[23] VO der EK vom 30. 6. 2008, ABl 2008 L 171/3
[24] Erster so erledigter Fall war der Vergleichsbeschluss der EK 19.5.2010, gemäß dem die EK DRAM-Hersteller mit Geldbuße von 331 Millionen Euro wegen Preiskartells belegt und ersten Vergleich mit 10 % Nachlass in einem Kartellfall erzielte (vgl Pressemeldung IP/10/586): Samsung Geldbuße nach 18+10%-iger Herabsetzung EUR 146 Mio; Infineon Geldbuße nach 45+10%-iger Herabsetzung EUR 57 Mio. Dazu krit Simon Hirsbrunner, Settlements in EU-Kartellverfahren, EuZW 2011, 12.
[25] Dazu ausf Kühnert/Xeniadis, Verpflichtungszusagen im kartellgerichtlichen Verfahren, OZK 2012, 206 mit Aufzählung einiger Fälle.
[26] Nach einem hier allerdings langen Verf zog der BKAnw aufgrund von Verpflichtungszusagen den Geldbußenantrag zurück im Fall Asphaltmischwerk Greinsfurth/Ybbstal (OLG Wien als KG 25 Kt 41/06; hierauf Rekurs nur betr Rahmengebühr: OGH als KOG 11. 1. 2010, 16 Ok 11/09).
[27] Gunther Kühne, Auf dem Weg zu einem "konsensualen" Kartellrecht, WuW 2011, 577.
[28] Niemand ist verpflichtet, sich selbst zu belasten.
[29] Georg E Kodek, Vergleichsabschluss durch die Amtsparteien im Kartellverfahren, in Matousek/Müller/Thanner, Kartell- und Wettbewerbsrecht Jahrbuch 2011, 27 ff, dieser aber für die Zulässigkeit im Verfahren zur Abstellung einer Zuwiderhandlung. Gänzlich gegen jeden Vergleich durch Amtsparteien: Rechberger/Hackl, Gütliche Streitbeilegung, in Matousek/Müller/Thanner, Jahrbuch 2010, 89. Krit auch Hölzl/Hummer (FN 19). Für die Zulässigkeit von Vergleichen: Xeniadis/Kühnert, Einvernehmliche Verfahrensbeendigung im Kartellverfahren, ÖZK 2012, 83.
[30] Dazu Ratz, Verfahrensbeendigende Prozessabsprachen in Österreich, ÖJZ 2009, 949 [950].
[31] So aber – begründungslos - Wessely/Xeniadis/Diem, Hausdurchsuchungen durch Wettbewerbsbehörden – Rechte und Pflichten Betroffener, OZK 2012, 131 [141].
[32] Vgl Brugger (FN 4 und 14).
[33] BWB Pressemitteilung 22. 2. 2008.
[34] Zum Sonderfall des nicht vorwerfbaren Rechtsirrtums vgl Brugger, Verbotsirrtum und Kartellrecht, ecolex 2010, 1166; Brugger, Entscheidungsanmerkung zu 16 Ok 2/11 und 16 Ok 4/11, ecolex 2012, 330.
[35] OLG Wien als KG 7. 4. 2010, 25 Kt 1/10 – Geldbuße wegen Zusammenschlussdurchführung im Baustoffbereich nur EUR 5.000,-.
[36] OGH als KOG 12. 9. 2007, 16 Ok 4/07.
[37] Brugger, Entscheidungsanmerkung zu 16 Ok 4/09, ecolex 2009, 507 (508 rSp).
[38] T-53/03 – Peroxide: Gericht gewährte 40% statt 30% Nachlass gem Kronzeugenregelung, weil Details über die Treffen und Informationen im speziellen über den Markt in London, welche der EK ermöglichten, einen Gesamtplan nachzuweisen, vorgelegt wurden und BPB auch die Existenz des Kartells nicht bestritt. T-236/01, T-239/01, T-244/01 bis T-246/01, T-251/01 und T-252/01 – Graphitelektroden: Herabsetzung um weitere 10% (nach bereits 40% Erlass), weil die EK mündliche Informationen nicht berücksichtigt hat; Herabsetzung um weitere 20%, nachdem die EK schon 20% gewährt hatte, weil die Bedeutung der Zusammenarbeit eines Unternehmens unterbewertet wurde (die Antwort auf ein förmliches Auskunftsverlangen wurde nicht als freiwillige Zusammenarbeit eingestuft, die Dauer der Zuwiderhandlung wurde bei der Wertung der Beweise verkannt)
[39] T-61/99 – Schifffahrt: Die EK hat ihre eigenen Methode der Berechnung des Grundbetrages nach Maßgabe der Schwere falsch angewandt (Ermittlung der Größe des Unternehmens unter Berücksichtigung ihres Gesamtumsatzes – nicht nur bzgl Umsatz des Kartells).
[40] T-217/03 und T-245/03 – Fleischer: Herabsetzung der Geldbuße wegen mildernder Umstände um 70% statt 60%, um allen von der EK angeführten Gründe (wirtschaftlicher Kontext: starker Rückgang des Konsums, Interventionsmaßnamen von Behörden, Vertrauensverlust der Verbraucher, sinkende Preise) ausreichend zu berücksichtigen. T-220/00 – Lysin: Zusätzlich zur Herabsetzung um 10% wegen der Beendigung der Zuwiderhandlung mit dem ersten Eingreifen der Behörde; Herabsetzung um weitere 10% wegen der passiven Rolle bei Absprachen. T-224/00 – Lysin: Herabsetzung um zusätzliche 10% wegen der aktiven Mitwirkung außerhalb der Mitteilung über Zusammenarbeit (als mildernder Umstand).
[41] T-38/02 – Bier: Die EK hat zu Unrecht einen erschwerenden Umstand zur Last gelegt (Zwang durch Androhung von Vergeltungsmaßnahmen); fehlende Begründung für das Abweichen von der Berechnungsmethode nach den Leitlinien.
[42] T-59/99 – Schifffahrt: Die EK ist bei der Berechnung der Geldbußen von einem einheitlichen Grundbetrag für alle Unternehmen ausgegangen, der sich nach ihrer jeweiligen Größe richtete, ohne dabei jedoch danach zu differenzieren, ob sie an einer der geahndeten Zuwiderhandlungen oder an beiden beteiligt waren. Damit hat sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
[43] T-15/02 – Vitamine: Die Erhöhung des Grundbetrages um 35% wegen erschwerender Umstände entfällt (von der EK wegen Anführer- und Anstifterrolle verhängt). Die Geldbuße wird gemäß der Mitteilung über Zusammenarbeit nicht um 50%, sondern um 75% herabgesetzt. Auch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Gleichbehandlung verlangen nicht, dass der Ausgangsbetrag der Geldbuße bei allen Mitgliedern eines Kartells den gleichen Prozentsatz ihres individuellen Umsatzes ausmacht.